Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: IV ZR 437/14)

BGH sorgt mit Urteil zum Bezugsrecht bei Lebensversicherung für Verwirrung

Noch immer sorgt ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2015 (Az. IV ZR 437/14) für Verwirrung. Hintergrund war die Definition des „verwitweten“ Ehepartners (1).

Der Sachverhalt

Ein Versicherungsnehmer und gleichzeitig versicherte Person verstarb. Der Erblasser war geschieden und in zweiter Ehe verheiratet. Die Versicherungsgesellschaft zahlte an die geschiedene Ehefrau aus, nicht an die Witwe. Dieser Sachverhalt wurde vom BGH bestätigt.

Die Argumentation lautete, dass sich der Begriff „Witwe“ auf den Ehestand bei Vertragsabschluss bezog. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch, dass es in Bezug auf den Ehestand laut dem Rechtsgelehrten Friedrich Carl von Savigny nur vier Sachverhalte gibt:

  • Ledig
  • Verheiratet
  • Verwitwet
  • Geschieden

Dieser Umstand findet sich auch in Paragraf 111 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) zum Thema „Familienstand“ (2). Ein jeder dieser vier Zustände schließt zwingend die anderen drei aus. Wie der Philosoph Hans-Georg Gadamer in seinen Schriften zu „Wahrheit und Methode“ im Jahr 1960 allerdings ausführte, seien durchaus mehrere Wahrheiten zu einem Sachverhalt möglich.

In dem speziellen, verhandelten Fall kam noch dazu, dass die geschiedene Ehefrau im Rahmen des Versorgungsausgleichs bereits abgefunden wurde. Der BGH entschied bereits im Jahr 2011, dass eine vorhandene Renten- oder Lebensversicherung im Rahmen des Versorgungsausgleichs unbedingt zu berücksichtigen sei (Az. XII ZB 555/10).

Der ersten Ehefrau, rechtlich als geschieden und damit nicht mehr als Witwe einzustufen, fällt nun über den bereits erhaltenen Zugewinnausgleich erneut ein Teil aus der Versicherungsleistung zu. Die per Definition verwitwete zweite Ehefrau geht leer aus. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Gerechtigkeit.

Das Restrisiko verbleibt bei der Versicherungsgesellschaft und dem Versicherungsvermittler. Die Witwe kann auf der Grundlage des Paragrafen 6, Abs 5 Versicherungsvertragsgesetz eine Auszahlung zu ihren Gunsten verlangen, wenn eine mangelhafte Beratung zugrunde liegt. Der BGH sah dies in Hinsicht auf das Bezugsrecht als gegeben an (3).

Gestaltung des Bezugsrechts ausschlaggebend

Versicherungsnehmer und Vermittler gehen in der Regel davon aus, dass das von der Versicherungsgesellschaft vorformulierte Bezugsrecht auf solidem rechtlichen Boden steht. Dabei kann das Bezugsrecht durchaus individuell gestaltet werden. So kann überspitzt formuliert ein Bezugsrecht für die Dauer gelten, die Deutschland den Titel des Fußballweltmeisters hält.

In der Praxis wird der Bezugsberechtigte entweder mit Namen und Geburtsdatum benannt oder der Versicherungsnehmer entscheidet sich für die Klausel „der dann mit der versicherten Person in gültiger Ehe Lebende“.

Gerade diese Klausel lässt eigentlich für Interpretationen keinerlei Spielraum, sofern nicht die Regelung der katholischen Kirche über die Unauflösbarkeit der Ehe als Grundlage zählt. Ein Restrisiko bleibt allerdings, wenn sich der Versicherungsnehmer für ein unwiderrufliches Bezugsrecht entscheidet, eine Variante, die allerdings kaum Anwendung findet.

Kritisch wird allerdings folgender Sachverhalt: Eine Ehe wird, in Deutschland zulässig, nur kirchlich geschlossen. Einer der Partner heiratet zu einem späteren Zeitpunkt dann eine andere Person standesamtlich. In diesem Fall bleibt tatsächlich die Frage, welche der Hinterbliebenen bezugsberechtigt ist.

Der Gesetzgeber lässt es auf jeden Fall zu, dass der Versicherungsnehmer auf der Grundlage der einseitigen Willenserklärung das Recht hat, das Bezugsrecht so auszugestalten, wie es ihm passend scheint.

Der Widerrufsjoker – auch beim Bezugsrecht eine Trumpfkarte

Missfällt einem der Hinterbliebenen die Ausgestaltung des Bezugsrechtes, kann er unter Umständen den berühmten Widerrufsjoker ziehen. War die Widerrufsbelehrung zum Vertrag falsch oder fehlerhaft, muss der Versicherer die eingezahlten Beiträge zusammen mit einer Nutzungsentschädigung an die Erben auszahlen.

Fazit

Es ist fraglich, ob der BGH der breiten Masse der Versicherungsnehmer und Begünstigten mit diesem Urteil einen Gefallen getan hat. Die „Versetzung“ eines geschiedenen Ehepartners in den Stand des verwitweten Partners widerspricht jeglicher Logik.

Die Willenserklärung hinsichtlich des Bezugsrechtes zu Zeiten der ersten Ehe dürfte auf jeden Fall mit Scheidung und erneuter Heirat infrage gestellt sein. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat.

Der Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala kommentierte das Urteil in dem Wirtschaftsmagazin procontra-online.de am 8. August 2016 mit den Worten: „… müsste man das Verfassungsrecht bemühen, wonach unlogische Entscheidungen wegen Verstoß gegen die Denkgesetze schlicht verfassungswidrig sind“ (4).


Weiterführende Informationen

(1) Bundesgerichtshof - Das Urteil des BGH

(2)Dejure.org - § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz

(3)Dejure.org - § 6, Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz

(4)Procontra-online.de - Kommentar des Rechtsanwalts Dr. Fiala


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