Widerruf der Lebensversicherung

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass nur etwa die Hälfte der zahlreichen Lebensversicherungsverträge in Deutschland ihr tatsächliches Ablaufdatum erreicht. Die Policen der anderen Hälfte werden vorzeitig beendet. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur. Allerdings ist nicht immer der Versicherungsnehmer der Auslöser. Warum es von beiden Seiten zum Widerruf kommen kann und was dabei zu beachten ist, erfahren Sie hier!

 

Wichtige Informationen

  • Bei falschen Gesundheitsangaben des Versicherungsnehmers ist der Versicherer leistungsfrei und kann vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten. Der Versicherungsnehmer hat dann keinen Anspruch auf die Rückerstattung der Prämien.
  • Falsche oder fehlende Widerrufsbelehrungen erlauben dem Versicherungsnehmer den Rücktritt vom Vertrag. Er hat Anspruch auf Rückerstattung der Prämien zuzüglich Zinsen.
  • Ist ein Widerruf nicht möglich, bieten der Verkauf der Police, ein Policendarlehen oder die Beitragsfreistellung die besseren Alternativen zur Kündigung.

Widerruf durch Versicherer

Es kann durchaus vorkommen, dass ein Lebensversicherer eine bestehende Police vorzeitig auflösen möchte beziehungsweise muss oder die Zahlung der Versicherungssumme verweigert. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die versicherte Person unwahre Angaben zu ihrem Gesundheitszustand machte und möglicherweise sogar ein nicht versicherbares Risiko darstellte. Bereits mit Unterschrift unter den Vertrag hat der Versicherungsnehmer eine vorvertragliche Anzeigepflicht. Treten beim Gesundheitszustand der versicherten Person vor dem Beginn der Versicherungsphase negative Veränderungen ein, muss dies der Versicherung gemeldet werden.

Erlangt der Versicherer während der Versicherungsdauer Kenntnis davon, dass die Gesundheitsangaben im Vertrag vom tatsächlichen Zustand abweichen, hat er zwei Möglichkeiten:

  • Er kann vom Vertrag zurücktreten, muss dann aber nachweisen, dass der Versicherungsnehmer falsche Angaben machte.
  • Er kann den Vertrag anfechten. In diesem Fall müssen der Versicherungsnehmer und die versicherte Person nachweisen, dass sie keine falschen Angaben machten.

Die Konsequenzen

Lag der Versicherer mit seinen Vermutungen, die eine Auflösung des Vertrages bewirkten, richtig, wird es für den Kunden kritisch. Der Vertrag wird unverzüglich aufgelöst. Die bis dahin eingezahlten Beiträge werden allerdings nicht zurückgezahlt.

Verstarb die versicherte Person und der Versicherer kann nachweisen, dass der Tod im Zusammenhang mit unterlassenen Angaben zum Gesundheitszustand steht, ist er ebenfalls von der Leistung befreit.

Widerruf durch Versicherten

Ein Versicherungsnehmer, der von seinem Lebensversicherungsvertrag in Form einer Kündigung zurücktritt, macht, abhängig von der bisherigen Laufzeit, meist herbe Verluste. Durch Abschlussprovisionen und laufende Vergütungen werden die eingezahlten Beiträge erheblich belastet. Die Folge ist, dass der Rückkaufswert, abzüglich Steuern, die noch „on top“ kommen, deutlich unter den bislang gezahlten Prämien liegt.

Anders sieht es beim Widerruf einer Lebensversicherung mittels Widerrufsjoker durch den Versicherten aus. Der 7. Mai 2014 hat die Versicherungslandschaft in Deutschland maßgeblich verändert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat an diesem Tag ein wegweisendes Urteil in Sachen Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen und Rentenversicherungen gesprochen. In bestimmten Fällen können sowohl Rentenversicherungen wie Lebensversicherungen widerrufen und rückabgewickelt werden.

Das Widerrufsrecht spielt mittlerweile eine große Rolle im deutschen Versicherungsrecht. Bis 2013 lag die Regelung zugrunde, dass ein Versicherungsvertrag maximal ein Jahr nach der Zahlung der ersten Prämie widerrufen werden kann. Ganz unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht aufgeklärt wurde, oder ob dies nicht der Fall war.

Diese Regelung kippte der Europäische Gerichtshof (EGH). Im Mai 2014 sprach der BGH aufgrund des Urteils des EGH ein entsprechendes Urteil. Seitdem können Lebensversicherungen und Rentenversicherungen, bei denen fehlerhaft über das Widerrufsrecht belehrt wurde oder eine solche Widerrufsbelehrung gar nicht erfolgt ist, ein Widerruf und eine Rückabwicklung des Versicherungsvertrags vorgenommen werden.

Geld zurück bei Widerruf

Was hier etwas plakativ klingt, hat einen vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigten Grund. In den Jahren 2014 und 2017 monierte der BGH fehlerhafte oder fehlende Widerrufsbelehrungen bei Lebensversicherungen (2). Diese Mängel betrafen im Verfahren Verträge aus der Zeit zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007.

Fiel die Widerrufsbelehrung fehlerhaft aus, kam die 14tägige Frist für den Widerruf niemals zum Tragen. Der Versicherungsnehmer kann den Vertrag daher jederzeit widerrufen. Er hat in diesem Fall nicht nur Anspruch auf die eingezahlten Prämien, sondern auch auf einen sogenannten Nutzungsaufwand für das der Versicherung zur Verfügung gestellte Geld.

Versicherungsnehmer, die ihren Vertrag vorzeitig auflösen möchten, sollten daher unbedingt prüfen, ob für sie die Widerrufsklausel gemäß BGH greift. Die Voraussetzungen dafür sind

  • Widerrufsrecht nicht ausreichend ersichtlich im Vertrag hervorgehoben.
  • Widerrufsbelehrung gar nicht im Vertrag vorhanden.
  • Falscher Fristbeginn für den Start der Widerrufsfrist.
  • Es fehlt der Hinweis, in welcher Form der Widerruf (Brief, Fax, Mail) erfolgen kann.

Diese Regelung betrifft im Übrigen nicht nur Verträge, die noch aktiv bedient werden oder beitragsfrei gestellt wurden. Die Rechtsprechung kann auch für Verträge angewendet werden, die bereits gekündigt und, vermutlich mit Verlust, ausgezahlt wurden. Es kann sich also auch bei bereits gekündigten Verträgen eine Überprüfung lohnen. Dann wird nachträglich die Differenz aus dem Rückkaufswert und den Ansprüchen aus der Rückabwicklung gezahlt.

Da sich die entsprechenden Formulierungen von Vertrag zu Vertrag deutlich unterscheiden können, empfiehlt es sich, den Vertrag von einem Experten prüfen zu lassen. Dafür stehen unter anderem die Verbraucherzentralen oder Fachanwälte für Versicherungsrecht zur Verfügung.

Vor dem Hintergrund, dass Lebensversicherungen in der Regel über 20 Jahre oder mehr laufen, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass sich auch noch viele Jahre später der eine oder andere Versicherungsnehmer findet, der vom sogenannten „Widerrufsjoker“ profitieren kann.

Warum widerrufen statt kündigen?

Warum der Versicherungsnehmer die Lebensversicherung nach Möglichkeit lieber widerrufen stat kündigen sollte, erläutern wir noch einmal zusammengefasst: Bei einer Kündigung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung erhält der Versicherungsnehmer nur den Rückkaufswert für seine Versicherung. Damit hat er, je nach bisheriger Laufzeit der Versicherung, mit deutlichen Einbußen zu rechnen. Bei einem Widerruf aufgrund des BGH-Urteils hingegen kann je nach Vertrag ein deutlich höherer Betrag zurückgefordert werden. Die Rückzahlung umfasst die eingezahlten Beiträge nebst Zinsen. Es dürfen keine Abschluss- und Verwaltungskosten abgezogen werden. Lediglich Kosten für den „genossenen Versicherungsschutz“, beispielsweise Risikobeiträge für den Todesfallschutz, werden einbehalten.

Wie wird der Versicherungsvertrag rückabgewickelt?

Dem Versicherungsvertrag muss schriftlich widersprochen werden. Betroffene finden zahlreiche Musterschreiben im Netz, etwa beim Bund der Versicherten (Bundderversicherten.de/Musterbriefe-fuer-Sie). Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist dafür nicht unbedingt erforderlich. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg werden die Widersprüche der Versicherungsnehmer jedoch häufig mit fadenscheinigen Begründungen zurückgewiesen. Ein Fachanwalt könnte in diesem Fall nützlich sein, da sich Versicherungsunternehmen in der Praxis gegenüber den Rechtsvertretern teilweise außergerichtlich gesprächsbereit zeigen. In der Regel werden die Anwaltsgebühren durch die Rechtsschutzversicherung abgedeckt. Ohne Rechtsschutz sollten vorab die Gebühren der anwaltlichen Tätigkeit geklärt werden.

Wenn sich der Versicherer weigert, den Widerspruch zu akzeptieren, steht der Versicherungsombudsmann (www.versicherungsombudsmann.de) den Versicherten kostenlos beiseite.

Nachteile durch Widerruf

Wird eine Lebensversicherung widerrufen, bedeutet dies gleichermaßen, dass kein Todesfallschutz mehr besteht.

Je später im Leben eine Lebensversicherung oder Rentenversicherung abgeschlossen wird, desto höher steigen die Beiträge, da das Alter des Versicherten bei der Beitragsberechnung bei beiden Versicherungsarten eine wichtige Rolle spielt.

Wird eine (noch laufende) Lebensversicherung widerrufen, sollte man sich deshalb überlegen, ob man eine andere Lebensversicherung abschließt, um weiter den Todesfallschutz gewährleisten zu können. Oder ob ein Widerruf tatsächlich Sinn macht, und ob es nicht vielleicht besser wäre, sich nach einer Alternative zum Widerruf und zur Rückabwicklung der Lebensversicherung zu suchen.

Kein Widerruf möglich? Die Alternativen

Sofern kein Widerruf möglich ist, bleiben dem Versicherungsnehmer noch andere Möglichkeiten, die Lebensversicherung zu beenden, zu pausieren oder anderweitig zu nutzen. Neben dem Widerruf kann der Versicherungsnehmer den Vertrag

Die Kündigung zeigt sich als schlechteste Option. Alternativ bietet sich an, den Vertrag beitragsfrei zu stellen. Das bisher angesammelte Kapital verzinst sich weiter, ohne dass zusätzliche Beiträge fließen. Die bisher gezahlten Beiträge kommen, zusammen mit der Überschussbeteiligung und einem möglichen Schlussgewinnanteil, zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zur Auszahlung.

Alternativ bietet sich die Möglichkeit, den Vertrag am Zweitmarkt zu verkaufen. Policenankäufer bieten in der Regel einen Preis, der über dem Rückkaufswert liegt. Der Vorteil bei dieser Variante gegenüber der Kündigung liegt darin, dass der Versicherungsschutz oft erhalten bleiben kann.

Allerdings sollte man bei der Auswahl des Ankäufers sehr vorsichtig sein, da es auch in dieser Branche schwarze Schafe gibt. Sie locken mit untypisch hohen Auszahlungen und bleiben diese dann nach Übertrag der Police schuldig. In unserem Anbietervergleich finden Sie Ankäufer mit realistischen Angeboten.

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Wer dringend das Geld aus seinem Vertrag benötigt, muss sie nicht zwingend kündigen. Die Lebensversicherung kann stattdessen beliehen werden. Policendarlehen ist hierfür das Stichwort. Die maximale Darlehenssumme orientiert sich am aktuellen Rückkaufswert. Da die Police als Sicherheit dient, fallen die Zinsen für das Darlehen sehr moderat aus.

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Alternativen mit allen Vor- und Nachteilen

Alternativen zum Widerruf der Lebensversicherung

 

Vorteile

Nachteile

Lebensversicherung beitragsfrei stellen

- Todesfallschutz hat weiter Bestand

- Es muss kein Versicherungsbeitrag mehr gezahlt werden

 

- Im Todesfall wird eine geringere Versicherungssumme ausgezahlt

- Möglicherweise fallen hohe Stornogebühren an

- Die Lebensversicherung später wieder auf Beitragszahlungen umzustellen, ist oft nicht mehr möglich

- Bei kapitalbildenden Lebensversicherungen ist bei einer Beitragsfreistellung das Steuerrecht zu beachten

Lebensversicherung kündigen

- Es müssen keine Beiträge mehr gezahlt werden

- Eine möglicherweise zu teure Lebensversicherung kann man so hinter sich lassen

- Todesfallschutz entfällt

- Der Rückkaufswert liegt je nach Vertrag deutlich unter den eingezahlten Beiträgen, eine Kündigung der Lebensversicherung stellt deshalb oft einen finanziellen Verlust dar.

Lebensversicherung beleihen

- Todesfallschutz hat weiter Bestand

- Der Versicherte erhält Geld über ein Policendarlehen, ohne dass dafür Sicherheit erbracht werden müssen

- Darlehen so auch mit negativer Schufa möglich, da die Schufa hierbei keine Rolle spielt

- Wird das Policendarlehen nicht vertragsgemäß zurückgezahlt, geht die Lebensversicherung verloren, und der Todesfallschutz fällt weg

Lebensversicherung verkaufen

- Der Versicherte erhält durch den Verkauf seiner Lebensversicherung schnelles Geld

- Je nach Ankäufer kann bei einem Verkauf der kapitalbildenden Lebensversicherung weitaus mehr dabei rauskommen an Geld, als es bei einer vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherung der Fall wäre

- Todesfallschutz nicht immer garantiert

 


Quellen

(1) GDV - Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2019
(2) BGH - Urteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11 und Urteil vom 25. Januar 2017 - IV ZR 173/15

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