Die Deutschen zahlen bis zu 4 Mrd. Euro zu viel an ihre Lebensversicherung. Kürzlich kursierten „600 Millionen Euro“ zu viel an Beiträgen für Kfz-Versicherungen. Die kann man schnell und einfach kündigen. Nicht so einfach ist es bei Lebensversicherungen. Und dort zahlen die Sparer bis zu vier Milliarden zu hohe Beiträge – wegen der Ratenzuschläge, zumindest für Altpolicen. Macht 11 Prozent Effektivzins - bezahlt von den Kunden.
Ein Gastbeitrag von Markus Rieksmeier
Lebensversicherung jährlich oder monatlich zahlen?
Lebensversicherungen, zu denen auch 10,8 Millionen Riesterrenten zählen, kassieren von ihren Kunden jedes Jahr zunächst einmal mehrere Milliarden Euro extra Schuldzinsen. Erst ein Jahr später können die Versicherten mit dem ersten Zins-Cent aus ihren Sparverträgen rechnen. Denn Kunden, die ihren Beitrag nicht nur einmal im Jahr abbuchen lassen, sondern etwa monatlich abstottern, berechnen die Versicherer für diesen Beitrags-„Kredit“ jährlich fünf Prozent extra. Dieser Ratenzuschlag entspricht einem Effektivzins von mehr als elf Prozent. Rechtlich ist das Ganze bereits ausgeurteilt: Ratenzuschläge sind formell keine Kredite. Rechtlich. Rechnerisch sollte jeder Kunde prüfen, ob oder wie viel er jedes Jahr an Ratenzuschlag bezahlt.
Anders als bei einem Fonds oder einem Sparvertrag der Bank ist der jährliche Beitrag für eine Lebensversicherung immer im Ganzen fällig. Die Kunden müssen die Gesamtsumme ihres Jahresbeitrags immer vorschüssig für das laufende Vertragsjahr zahlen. Dachte etwa ein Musterkunde, seine 100 Euro Monatsrate kämen bei seiner Lebensversicherung zu 100 Prozent auf dem Beitragskonto für seinen Riester an, dann irrt er gewaltig.
11 Prozent Sollzins – beim Sparen?
Nehmen wir an, die Police hat an einem ersten Januar begonnen – immer nach Silvester wird dann der nächste Jahresbeitrag fällig. Weil dieser Kunde seine 1.200 Euro Sparsumme für das kommende Jahr aber in Monatsraten zu 100 Euro abstottert, liegt der Gesamtbetrag für das Jahr erst im Dezember vollständig auf dem Konto der Lebensversicherung. Und wer seinen Beitrag in Raten abstottert, der hat praktisch gesehen einen Kredit am Hals, den er – Jahr für Jahr neu – in zwölf Monatsraten zum (Versicherungs-)Jahresende hin tilgt. Dafür nimmt der Versicherer in der Regel fünf Prozent Zuschlag.
Um in dem 100-Euro-Monats-Beispiel zu bleiben: Von gezahlten 1.200 Euro zieht der Versicherer seinem „Schuldner“ bei fünf Prozent Zuschlag jedes Jahr 57 Euro Zinsen ab. Dieses Geld ist der Preis dafür, dass der Kunde ab dem 1. Januar seine vollen Zinsen auf den Jahresbeitrag bekommt, der aber doch in erst in Monatsraten abbezahlt wird. Wäre diese Stundung formal vertraglich als Kredit zu gestalten, dann müsste der Lebensversicherer seinem Sparer(!) für den geschuldeten Jahresbeitrag einen effektiven Jahreszins von knapp 11,35 Prozent ausweisen und in den Vertrag schreiben. Muss er aber nicht.
Es geht nicht ums Recht – es geht ums Rechnen
Bereits im Jahr 2013 entschied der Bundesgerichtshof den ganzen Komplex der Ratenzuschläge gegen die Klage des Verbraucherschutzes. Den Urteilen des höchsten deutschen Gerichts nach sind Ratenzuschläge der Versicherer keine Kredite im Sinne des Gesetzes und auch nach der Preisangabenverordnung gegenüber dem Kunden NICHT gesondert auszuweisen (I ZR 22/07 und IV ZR 230/12). Mit diesen Urteilen kann der Kunde von den Versicherern kein Geld zurückverlangen oder gar den Vertrag rückabwickeln. Das ändert aber nichts an den Tatsachen.
Der größte Teil der laufenden Policen der Lebensversicherer beinhaltet faktisch weiterhin Ratenzuschläge, oftmals sind fünf Prozent Zuschlag für Monatszahler marktüblich – je älter der Vertrag, desto eher. Gilt das immer noch? Im Falle der Europa Lebensversicherung: Ja. Die Europa Leben ist eigentlich ein sehr kostengünstiger Direktversicherer und bei Vergleichstest immer weit vorn. Dennoch zeigt ein aktueller Vergleich von Monats- und Jahresbeitrag real einen Ratenzuschlag von fünf Prozent für Monatszahler.
Beispiel Europa Leben: Immer noch fünf Prozent Zuschlag für Monatszahler
Wer dort als 37-Jähriger 200 Euro in eine private Rentenpolice einzahlt, bekommt nach 30 Jahren ein Garantiekapital von 78.872 Euro. Das gleiche Geld gibt es bei ansonsten gleichen Bedingungen, wenn der Sparer jedes Jahr (und jährlich zahlend!) dort 2.286 Euro (nicht 200 x 12 = 2.400 Euro) hinterlässt.
In Zahlen: 2.286 geteilt durch 2.400 = 0,95
Oder umgekehrt: 5 Prozent Zuschlag, da monatlich statt jährlich gezahlt wird.
Europa Lebensversicherung: Beitrag monatlich 200 Euro:
Quelle: Europa.de
Europa Lebensversicherung: Beitrag jährlich 2.286 Euro:
Quelle: Europa.de
Und ganz Deutschland?
Zurzeit weist der Gesamtverband der Versicherer für die Lebensversicherung (LV) 88,3 Millionen Verträge aus, die die Versicherer in ihren Büchern haben. Diesem Vertragsstock stehen 90,6 Milliarden Euro Jahresbeitrag gegenüber. Im Schnitt zahlt der Durchschnittsdeutsche demnach jedes Jahr 1.026 Euro für seine Police. Ratenzuschläge werden in den Angeboten der Versicherer nicht bzw. nicht mehr ausgewiesen, wohl um die juristisch umstrittene Preisangabe des faktischen Beitrags-Kredits zu umgehen. Das macht nichts. Wir rechnen:
Teilt man die oben errechneten 1.026 Euro Durchschnittsbeitrag pro Kunde und Jahr durch 105 (%) und multipliziert sie mit 100, dann kommt der Rechner auf 977,14 Euro Jahresbeitrag ohne Kosten für den Ratenzuschlag. Die Differenz sind 48,86 Euro pro Jahr. Zins. Für Monatszahler. Multipliziert man diese 48,86 Euro mit 88,3 Millionen Lebensversicherungs-Verträgen, dann ergeben sich 4,3 Milliarden Euro. Ratenzuschläge. Pro Jahr. Selbst wenn nur zwei von drei Verträgen Ratenzuschläge enthalten, wären dies noch 2,88 Milliarden Euro jährlich.
Eine Kontrollrechnung
Ähnliche Zahlen zeigt ebenfalls eine Kontrollrechnung zu der mutmaßlichen Summe der Zinsen:
Der Deutschen Jahresbeitrag für die Lebensversicherung inkl. 5% Zins = +90.657.000.000 (: 105((%)) x 100 =) +86.340.000.000 - 90.657.000.000 = -4.317.000.000 Euro Ratenzuschläge. Dieser Betrag ist zu kürzen um die Lebensversicherungs-Sparer, die pro Jahr ganz oder unterjährig zahlen. Quoten hierzu liegen nicht vor. Auch sogenannte Gruppenrabatte, etwa bei der Betriebsrente, fehlen hier.
Gehen wir bei der Mathematik von 90 Prozent Monatszahlern aus, der wohl überwiegenden Mehrheit der Lebensversicherungskunden, dann ist der Betrag von 4,3 Milliarden Euro um 1/10 zu kürzen: Auf 3,9 Milliarden Euro. Als Summe für den gezahlten Ratenzuschlag der Kunden. Ach, seien wir kulant: Rechnen wir mit der Hälfte: das machte statt vier immer noch rund zwei Milliarden Euro Ratenzuschläge. Oder knapp 50 Euro bzw. 22,73 Euro pro Nase und Jahr. Kleinvieh macht auch Mist. Milliarden.
Unser Gastautor Markus Rieksmeier ist Versicherungsfachwirt und Finanzautor seit dem Jahr 2003.
Anbieter für Verkauf und Kündigung im Vergleich
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