Gewinne der Lebensversicherer gehören in erster Linie den Kunden (LG Stuttgart Az. 16 O 157/17)

Führt ein Lebensversicherer Dividenden an Aktionäre ab, darf er nicht gleichzeitig die Auszahlung einer Lebensversicherung um den Sicherungsbedarf kürzen.

Im Jahr 2014 wurde das Lebensversicherungsreformgesetz verabschiedet. Inhaltlich geht es unter anderem darum, dass ein Lebensversicherer keine Gewinne an Anteilseigner ausschütten darf, wenn die Leistungen der Kunden gefährdet sind. Dies ist aktuell bei 34 Versicherungsgesellschaften der Fall. Die Unternehmen unterstehen einer besonderen Kontrolle durch die BaFin.

Trotz ihrer offenkundigen Finanzschwäche führten allein diese 34 Gesellschaften im Jahr 2017 in der Summe 276 Millionen Euro Gewinne an die Konzernmütter ab. Möglich war dies, weil das Verbot durch die Bundesregierung durch Gewinnabführungsverträge umgangen wurde (1).

Der Hintergrund der Klage

Gewinne der Lebensversicherer gehören meist den Kunden
© Mukhina1/ iStock/Getty Images
Die Kapitallebensversicherung des Klägers endete am 30. November 2014. Das Versicherungsunternehmen rechnete den Vertrag mit einem Gesamtbetrag i.H.v. 102.395,39 Euro wie folgt ab:

  • Garantiekapital in Höhe von 70.358,00 Euro
  • Garantierte Überschussbeteiligung 32.037,39 Euro.

Die Überschussbeteiligung setzte sich aus Schlussüberschussanteilen in Höhe von 1.714,39 Euro und den anteiligen Bewertungsreserven über 6.388,00 zusammen. Allerdings hatte das Unternehmen im September 2010 in der Standmitteilung noch Schlussüberschussanteile von 6.096,11 Euro und eine Beteiligung an den Bewertungsreserven von 11.310,04 Euro angegeben.

Der Versicherungsnehmer setzte sich mit der Gesellschaft in Verbindung, um den Grund für die Kürzung zu erfragen. Der Versicherer erklärte, dass aufgrund des Lebensversicherungsreformgesetzes nur noch Bewertungsreserven auf festverzinsliche Anlagen ausgezahlt werden dürften, welche den Sicherungsbedarf übersteigen (2).

Der Versicherungsombudsmann, vom Kläger angerufen, verwies auf die BaFin. Die BaFin wiederum konnte das Vorgehen des Versicherers nicht beanstanden und begründete dies mit dem Gewinnabführungsvertrag. Der Vorgang ging mit einem Streitwert über 7.440 Euro, der beanstandeten Differenz, vor Gericht.

Die Richter am Landgericht Stuttgart wollten den Ausführungen der BaFin jedoch nicht folgen und sprachen dem Kläger die Differenz zu.

Abgelaufene Verträge dürfen laufende Verträge nicht mitfinanzieren

Die Richter verwiesen darauf, dass die Sicherungsgarantie dazu diene, den laufenden Verträgen die Verzinsung zu garantieren, die bei Abschluss zugrunde lag. Insofern sei eine Kürzung der Anteile an den Bewertungsreserven durchaus zulässig. Allerdings dürfe der Versicherer in diesem Moment auch keine Gewinne an Dritte abführen, auch nicht bei bestehendem Gewinnabführungsvertrag.

Es sei, so die Stuttgarter Richter, nicht zumutbar, dass Kunden mit abgelaufenen Verträgen die Garantien für laufende Verträge übernehmen, während die Anteilseigner des Versicherers aus Geldern, welche der Garantie dienen sollten, Dividenden erhielten.

Eine Einschränkung der Kunden an den Beteiligungen der Gewinne bedeutet zwingend, dass auch die Ausschüttung an die Anteilseigner eingeschränkt oder ausgesetzt wird.

Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, allerdings hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 27. Juni 2018 in ähnlicher Sache Stellung bezogen (AZ lV ZR 201/17) (3). Die Kürzung ist nach Auffassung der Karlsruher Richter rechtens, allerdings müsse der Versicherer dem Kunden zwingend darlegen, dass ohne die Kürzung eine Aufrechterhaltung der Garantien nicht gegeben sei. Dies schließt auch ein, dass keine anderweitigen Gewinnausschüttungen erfolgen können.

 


Quellen und weiterführende Links

(1) Handelsblatt - Klamme Lebensversicherer führen Rekordgewinne ab
(2) Kanzlei Kotz - Lebensversicherung – Auszahlung von Bewertungsreserven
(3) Bundesgerichtshof - Ermittlung der Bewertungsreserve in der Lebensversicherung


Anbieter für Verkauf und Beleihung im Vergleich

Welche Anbieter beim Aufkauf von Lebensversicherungen besonders attraktive Angebote machen, zeigt unser Vergleich auf der folgenden Seite:

Anbieter, welche Lebensversicherungen auch beleihen, stellen wir Ihnen als Alternative zum Verkauf auf dieser Seite vor: